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29.03.2023

Bericht Thementag Tracking

Thementag „Tracking“ im Haus des Meeres  - ein großer Erfolg!

Nach „Urzeitkrebsen“ (Okt. 2021) und „Insekten-unter, am und über Wasser“  (Okt. 2022) fand am 29.3.2023 mit „Tracking - den Tieren mit modernen Methoden auf der Spur“ der bereits dritte vom Verein „Haus des Meeres - Wissenschaft und Forschung“ organisierte Thementag statt. Das Veranstaltungsformat hat sich bestens bewährt: In 6 Kurzvorträgen von 20 Minuten zu einem ganz bestimmten Thema (Taxa oder Methoden) mit einer von Musik begleitenden Pause und freien Getränken wird den Besuchern ein spannender Vortragsabend geboten. (Eintritt für Mitglieder des Vereins HdM-WiFo und ZooBot:  5,- €, sonst 10,-€)

Das methodische Thema „Tracking“ lockte zahlreiche Besucher an. Die 120 Plätze im Lighthouse 10, dem „schönsten Vortragssaal über den Dächern von Wien“ waren einige Tage vor Beginn der Veranstaltung bereits ausgebucht. 

Die hochkarätigen Vortragenden berichteten über ihre aktuellen Studien mit Sendern ausgestatteten Tieren. Dabei entführten sie die Zuhörer u.a. in die Weiten des Pazifiks (Aale), des Amazonas (Frösche), in den Yellowstone Park (Raben, Wölfe, Pumas), nach Galapagos und Südafrika (Greifvögel) und zu den Lebensräumen heimischer Organismen (Sterlets in der Donau sowie Hummeln im Neusiedlerseegebiet und Wien). In der Pause und nach Ablauf der Präsentationen bot sich für die BesucherInnen die Gelegenheit mit den Vortragenden ins Gespräch zu kommen und weitere Einblicke in die spannende Freilandarbeit der anwesenden WissenschafterInnen zu bekommen.

Sterlet Monitoring - Thomas Friedrich

Von den fünf heimischen Störarten in der Oberen Donau ist nur noch der Sterlet (Acipenser ruthenus) in wenigen kleinen, isolierten Populationen vorhanden. Das Projekt LIFE Sterlet hatte das Ziel, den Sterlet in den letzten frei fließenden Strecken der österreichischen Donau wieder anzusiedeln und selbsterhaltende Populationen aufzubauen. Ein Teil des Projekts war es Informationen über die Habitatnutzung und Wandermuster von Wild- und Besatzfischen zu sammeln.    
Insgesamt wurden 5 Wildfische und 33 Besatzfische zwischen den Kraftwerken Freudenau und Gabčíkovo mittels akustischer Telemetrie von März 2020 bis Oktober 2021 beobachtet. Es wurden 14 stationäre Hydrophone installiert und die Untersuchungsstrecke zusätzlich mit einem mobilen Gerät abgesucht. Die Wanderbewegungen der beobachteten Individuen konnten in fünf verschiedene Muster gruppiert werden. Unterhalb des Kraftwerks Freudenau wurden hauptsächlich Wildfische zusammen mit ein paar Besatzfischen, aufgezeichnet. Die meisten Besatzfische migrierten direkt nach ihrer Freilassung flussabwärts. Im Stauraum von Gabčíkovo konnten keine Individuen detektiert werden, allerdings wurden 3 Sterlets unterhalb des Kraftwerks im Zuge einer anderen Studie aufgezeichnet. Das unterschiedliche Wanderverhalten kann als individuelles Anpassungsvermögen an eine neue Umgebung sowie als exploratives Verhalten interpretiert werden.            
Von März bis Mai 2021 wurde eine akustische 3D-Telemetriestudie zur kleinräumigen Habitatnutzung unterhalb des Wasserkraftwerks Freudenau durchgeführt. Es wurde ein Array bestehend aus 5 Hydrophonen aufgebaut, welcher eine Fläche von insgesamt 16 978 m² abdeckte. Von den potenziell 9 noch aktiven Transmittern aus der Großraumstudie konnten 4 Sterlets im Untersuchungsgebiet für 43 Tage aufgezeichnet werden. Die Habitatüberschneidung der Individuen variierte zwischen 8,5 % und 37 %, und die höchste Anzahl an Begegnungen zweier Sterlets innerhalb des Arrays war 331. Die beobachtete Bewegungsdistanz im Array pro Tag reichte von 786 bis 1 670 m pro Tag.         
Beide Studien gaben erste Einblicke in das Verhalten und die Habitatnutzung von Sterlets. Besonders die Ansammlungen von Individuen unterhalb der Kraftwerke Freudenau und Gabčíkovo zeigten auf, dass die Wiederherstellung der longitudinalen Konnektivität ein wichtiger Punkt für den Erhalt des Sterlets ist. 

Vom Mythos zur Rationalität – Die Laichwanderungen tropischer Aale im Indopazifik - Robert Schabesberger

Die Suche nach den Laichgründen katadromer Aale (Genus Anguilla) begann mit Aristoteles‘ Hypothese, dass Aale sich spontan aus Schlamm bilden und erreichte mit der Entdeckung der Laichgebiete des Europäischen (1921) und des Japanischen Aals (1992) erste Höhepunkte. Aale können mehrere Jahrzehnte im Süßwasser leben, bevor sie sich auf die oft monatelange Wanderung über den Ozean begeben und schließlich nach dem Ablaichen sterben. Die Zerstörung ihrer Lebensräume, Überfischung, Verschmutzung und eingeschleppte Parasiten haben mehrere Arten an den Rand der Ausrottung gebracht. In Indopazifik gelten Aale als mythische Kreaturen und bilden die Grundlage einer lokalen Subsitenzfischerei. Über die marine Phase ihres Lebenszyklus ist wenig bekannt. Wir haben die Laichwanderungen tropischer Aale und der ozeanographischen Bedingungen entlang der Migrationsrouten erforscht. Genetische Untersuchungen haben gezeigt, dass die verschiedenen Arten hybridisieren. Ein internationales Team von Biologen und Ozeanographen aus Europa, Afrika und Japan hat sich zusammengefunden. Die erwarteten Informationen über die Laichgebiete sowie über die Populationsstrukturen und Hybridisierungsraten werden wertvolle Grundlagen für zukünftige Schutzmaßnahmen bilden. 

Why track frogs in the rainforest? - Andrius Pašukonis

I’m an experimental field biologist interested in how the environment shapes animal behavior and cognitive abilities, especially in poorly studied systems. My research primarily focuses on the mechanisms and evolution of amphibian spatial behavior. Over the last ten years, I developed tracking methods and used experimental manipulations to understand the patterns, mechanisms, and ecological factors shaping the spatial behavior of tropical frogs. Neotropical poison frogs are a particularly fascinating group of small frogs with complex parental care, which involves parents shuttling tadpoles from small territories to pools of water. Using tracking, I reveal that poison frogs have excellent spatial memory and navigational abilities, which they use to find distant pools and navigate the rainforest understory. In this talk, I will give an overview of my research on the spatial behavior of rainforest frogs, highlighting the importance of combining the organism-centered field research with creative experiments to gain deep biological insights. 

Track Them Down - Wildbienentracking in Ostösterreich: Ergebnisse der ersten Feldsaison (2022) & Herausforderungen - Sophie Kratschmer

Der Schutz unterschiedlicher Bestäuber ist wichtig zur Gewährleistung resilienter Bestäubungsleistungen. Dafür ist detailliertes Wissen über Lebensraumbedürfnisse und Raumnutzung von Wildbienen notwendig, um geeignete Schutzmaßnahmen für die jeweiligen Arten zu etablieren. Neue Technologien zur Ortung von Tieren machen das aktive Tracken von z.B. großen Bienen überhaupt erst möglich. Dieser Ansatz wurde an einer seltenen Wildbienenart (Mooshummel, Bombus muscorum) und einer invasiven Bienenart (Asiatische Mörtelbiene, Megachile sculpturalis) angewendet. Projektziele umfassten die Abschätzung des Aktivitätsradius, die räumliche Nutzung und Bewegungsmuster der Arten zu Untersuchen und somit deren ökologische Einnischung, Populationsdichte und -dynamik der Arten besser zu verstehen.

Zum Tracking wurden stationäre Empfänger mit internen Datenloggern installiert, um Tracking-Daten kontinuierlich zu speichern (Abb.1). Während der Hauptaktivitätszeit der beiden Arten (Juni-August) wurde 2022 versucht Einzelindividuen mit aktiven Sendern auszustatten. Zusätzlich sollte eine Fang-Wiederfang-Studie Erkenntnisse zu den Populationen in den Verbreitungsgebieten (Illmitz und Wien) geben. Das Ziel war diese Daten, zusammen mit den Tracking-Daten, in ein räumlich explizites offenes Populationmodell einfließen zu lassen und so eine Schätzung der Populationsdichte sowie der Ab- und Zuwanderung im Untersuchungszeitraum und -gebiet zu ermöglichen. Leider war das Sendergewicht (0,18g) war für beide Zielarten zu hoch – kein Individuum konnte mit Sender fliegen. Darum werden 2023 Holzbienen (Xylocopa sp.) als Zielarten dienen – die größten Bienenarten in Österreich. Sie können, wie eine Vorstudie zeigte, mit den Sendern fliegen (Abb.2). Unsere Ergebnisse sollen dazu beitragen, verbesserte Fördermaßnahmen für Holzbienen zu etablieren.

Das Sendergewicht stellt jedoch auch für große Holzbienen eine weitere Herausforderung dar. Ob und wie die Sender das Verhalten der Fluginsekten beeinflusst, wird in der Literatur äußerst selten und meist nur aufgrund von exemplarischen Beobachtungen berichtet. Um mögliche Effekte zu quantifizieren, planen wir das Flugverhalten der Holzbienen mit und ohne Sender in einem Käfigexperiment zu testen. 

Wie Menschen die Bewegungsmuster von Raben und Greifvögeln beeinflussen - Petra Sumasgutner

Greifvögel, Raben und Eulen haben gemeinsam, dass sie als relativ große Vogelarten leicht Biologger tragen können – GPS Sender die uns Forscher:innen Bewegungsmuster und Aktivitätsprofile der Wildtiere zusenden. Wie arbeiten international und besendern z.B. Kronenadler in Südafrika, die als typische Regenwaldbewohner auf die Affenjagd spezialisiert sind, aber heutzutage auch im Großstadtdschungel anzutreffen sind. Dort ernähren sie sich vor allem von Klippschliefern, Hagedasch Ibissen, Antilopen, und auch Affen, doch landet immer wieder ein Huhn oder eine Straßenkatze auf dem Speiseplan der Beutegreifer, was zu einer starken Verfolgung der Adler führt. Hier hilft uns die Telemetrie um Wildtierkriminalität aufzuzeigen und manchmal auch Fälle aufzuklären. Beim typischen Alpenbewohner, dem Kolkraben, sind wir insbesondere daran interessiert wie die Allesfresser anthropogene Nahrungsressourcen nutzen, wobei vor allem Wildparks, Kompostieranlagen und Skihütten systematisch angeflogen werden. Auch hier erleben wir illegale Abschüsse; Haupttodesursache im Almtal ist jedoch die Prädation durch den Uhu. Bei den Galápagos Sumpfohreulen wiederrum nutzen wir die Telemetrie um mehr über die Regeneration eines Ökosystem zu erfahren, in dem wir das Verhalten und die Bestandsentwicklung eines natürlich vorkommenden Beutegreifers nach der inselweiten Ausrottung von invasiven Ratten und Mäusen studieren. Die Eulen sind eigentlich Spezialisten für Darwin Finken und Lavaeidechsen, doch erbeuten sie derzeit vor allem die eingeschleppten Nagetiere. Wir sehen erstaunliche individuelle Unterschiede in den Bewegungsmustern der Eulen, mit ‚Landwirten‘, die nur auf den lokalen Farmen anzutreffen sind, den ‚Städtern‘, die vor allem unter den Straßenlaternen im Hafen, beim Fußballplatz oder dem Helikopter Landeplatz ansitzen, oder auch erkundungsfreudigen ‚Insel-Hüpfer‘, die zwischen den umliegenden Inseln unterwegs sind.

Von alten Geschichten zu moderner Forschung: GPS Tracking von Raben, Wölfen und Pumas im Yellowstone Nationalpark - Matthias Loretto

Viele Geschichten und Mythen ranken sich um die Beziehung zwischen Raben und Wölfen. Raben sind weit verbreitete Aasfresser, d.h. ihre Nahrungsquellen sind räumlich und zeitlich unvorhersehbar. Besonders häufig trifft man Raben bei Wolfsrissen an, daher kam schon früh die Annahme, dass Raben im Winter Wölfen folgen, um von deren Rissen zu leben. Erst mit dieser Studie konnte dies umfassend untersucht werden, in Zusammenarbeit mit den Wolfs- und Pumaprojekten im Yellowstone Nationalpark, USA. In diesen Projekten werden sein Jahren Wölfe und Pumas mit GPS-Halsbändern ausgestattet und deren Risse dokumentiert. Mit KollegInnen aus des USA gelang es mir über 70 Kolkraben im selben Gebiet zu fangen und mit kleinen GPS-Rucksäcken zu versehen. Die Ergebnisse zeigen, dass zwar so gut wie jeder Riss von vielen Raben besucht wird. Wenn man aber die Vögel individuell verfolgt, stellt sich heraus, dass sie nur einen kleinen Teil der Zeit in der Nähe von Wölfen oder Pumas verbringen. Ein einziger Fall konnte gefunden werden, wo ein Rabe einem Wolf über mehrere Kilometer folgt. Stattdessen suchen Raben des Yellowstone Nationalparks im Winter fast täglich Nahrungsquellen des Menschen auf, wie beispielsweise Müllsammelstellen oder Kläranlagen. Dennoch sind viele dieser Raben extrem gut darin Wolfsrisse zu finden und fliegen diese teilweise aus Entfernungen von über 150km an, als ob sie genau wüssten, dass es einen neuen Riss gibt. Die neue Vermutung ist, dass Raben lernen können, wo sich Wölfe häufig aufhalten und diese Bereiche immer wieder gezielt anfliegen, um nach Rissen zu suchen. Dies soll in den nächsten Jahren in Folgeprojekten untersucht werden.

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Text und Bild: Verein Haus des Meeres - Wissenschaft und Forschung

Die Vortragenden am Thementag „Tracking“ (v.l.
Die Vortragenden am Thementag „Tracking“ (v.l.n.r) T. Friedrich, R. Schabesberger, A. Pasukonis, P. Sumasgutner, S. Kratschmer, M. Loretto
Andrius Pašukonis during field work
Andrius Pašukonis during field work
Stationärer Empfänger „Jäger im Schilf“ sü
Stationärer Empfänger „Jäger im Schilf“ südlich von Illmitz. © M. Spießberger, 2023
Xylocopa valga Männchen „Anton“ mit Sender li
Xylocopa valga Männchen „Anton“ mit Sender lieferte 2022 erste Telemetriedaten
Für weitere Eindrücke vom Xylocopa valga Video v
Für weitere Eindrücke vom Xylocopa valga Video via QR-Code laden
Kronenadlern (Foto: Marc Graf & Christine Sonvilla
Kronenadlern (Foto: Marc Graf & Christine Sonvilla), Kolkraben (Foto: Thomas Bugnyar) und Galápagos Sumpfohreulen (Foto: Michael Dvorak) auf der Spur
Raben sind häufig mit anderen Tierarten, besonder
Raben sind häufig mit anderen Tierarten, besonders Wölfen, an Kadavern anzutreffen. Foto wurde von Matthias Loretto aufgenommen.